REISE MIT VORLÄUFIGER ANKUNFT
Paul Frommer, Redaktionelle Bearbeitung: Karin Berger, Picus Wien 1996


Paul Frommer erzählt, wie er nach 1939 als Sechsjähriger mit seinen Eltern die Jahre der Verfolgung erst in einem Hotel in Preßburg, dann im von den Nazis geschaffenen jüdischen Viertel und schließlich in einem Versteck zubrachte. Er erzählt nicht bloß von der Angst vor Deportation, sondern auch von den riskanten Versuchen, den Alltag in diesen Jahren einigermaßen erträglich und abwechslungsreich zu gestalten. Nach der Befreiung der Slowakei sucht Paul Frommer Anschluss an die linkszionistische Gruppe “Haschomer Hazair”. 1949 wandert er nach Israel aus, voll der Illusionen und Ideale. Im Kibbuz verbringt er die prägenden Jahre seiner Adoleszenz – wiewohl jeder Tag im Kibbuz ihn innerlich mehr von dieser Lebensform abrücken läßt. So fällt es seinen Eltern, die mittlerweile nach Paris ausgewandert sind, leicht, ihn zur weiteren Auswanderung nach Paris zu überreden. Von Paris, wo das Leben der Eltern weniger prächtig ist, als ihre Briefe es vermuten hatten lassen, zieht Frommer über Belgien und die Schweiz schließlich – neuerlich seinen Eltern folgend – nach Wien, wo seine unstete Lebensreise ein (vorläufiges?) Ende findet.

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PRESSE

IN WIEN AM ZIEL? (…) Nun schrieb Paul Frommer “Erinnerungen”, weder beschönigend noch verteufelnd, mit lakonischem Humor. Stilistisch Ausdruck eines glücklichen Temperaments. Gute und ungute Erlebnisse und Charaktereigenschaften (auch die eigenen) werden einfach beschrieben – sine ira et studio.
(…) Ein “Gestriger”, der sich in diese Aufzeichnungen verirrt, könnte sagen: Na also, es ist ihnen gar nicht so übel ergangen. Doch folgt, quasi sicherheitshalber, ein “Epilog”, knapp mehr als eine Seite. “Ich wollte kein Buch über die vielen Toten schreiben, die es in meiner Familie gibt. Doch an einige möchte ich mich hier erinnern.”
Dieses “einige” erweist sich in erschütterndem Ausmaß als Ausdruck einer starken Übertreibungsscheu. Die Geschwister der Eltern samt Familien, die Großmutter mütterlicherseits – ein Epitaph von 28 Druckzeilen. Nur Paul und seine Eltern hatten das Glück und die vitale Kraft, der Deportation zu entgehen. Und es gab, sehr vereinzelt, mutige Menschen, welche die Gefahr auf sich nahmen Juden zu beherbergen. So ein Versteck nannte man “Bunker”. Paul Frommer erwähnt auch das mit aller Dankbarkeit.
Edwin Hartl, DIE FURCHE 30. 5. 1996

 

PROTOKOLL EINER SUCHE
(…) Die “Abenteuer” Frommers als Lehrling in Paris und in Neuchâtel und seine Tätigkeit als Handelsvertreter in Brüssel liest man passagenweise wie einen burlesken Schelmenroman. Die zahlreichen Anekdoten sind harmlos, aber durchaus amüsant. Man merkt, dass sie hier nicht zum ersten Mal erzählt werden. Im großen und ganzen scheint es sich um eine schöne Zeit für den Autor gehandelt zu haben. Inwieweit er angesichts der beruflichen Unsicherheit, der zahlreichen Ortswechsel und mit dem ständigen Bewusstein, ein unerwünschter Ausländer zu sein, Existenzängste auszustehen hatte und wie dies seine Befindlichkeit prägte, bleibt jedoch weitgehend im Verborgenen. (…)
Vladimir Vertlib, DIE PRESSE SPECTRUM 29.6.1996

 

VON DER KUNST ZU ÜBERLEBEN
Bratislava 1991: Paul Frommer besucht erstmals seit über vierzig Jahren seine Geburtsstadt. Der Ansturm der lebendigen Erinnerungen an das erfahrene Leid lässt ihn voll Panik die Stadt verlassen. Aber die Erinnerungslawine ist losgetreten, und Paul Frommer beginnt zu erzählen, wie es ihm und seinen Eltern gelang, in Preßburg unterzutauchen und der Deportation zu entgehen.(…)
Dies war aber nur das erste Drittel der Erinnerungen. Paul Frommer beschließt als 15jähriger, gemeinsam mit seinen Freunden vom Haschomer Hazaír (sozialistisch-zionistische Jugendbewegung) und mit der Einwilligung seiner Eltern nach Israel auszuwandern. Wie es ihm dort gefiel, wie es seinen Eltern erging und was aus den dreien geworden ist, das sollten Sie unbedingt nachlesen!
Petra Rainer BUCHKULTUR 2/1996

 

ICH BIN EINE GESCHICHTE
“Ich bin eine Geschichte” schrieb einst Helmut Heissenbüttel in seinen “Textbüchern”. Seine Geschichte hat der 63jährige Paul Frommer, Textilhändler in Wien, mit der “Reise mit vorläufiger Ankunft” geschrieben. Bei dem Stoff, aus dem sein Leben ist, handelt es sich naturgemäß nicht um einen geschlossenen Roman, sondern um Erinnerungen: “um meiner Kindheit und Jugend wiederzubegegnen”, wie im Prolog zu lesen ist.
In dieser Wiederbegegnung erzählt Frommer, wie er und seine Eltern – mondäne “Kaffeehausmenschen” – über Nacht zu gehetzten Opfern der nationalsozialistischen Judenverfolgung werden. Zweimal wird der Vater in Arbeitslager verschleppt. Beide Male gelingt ihm die Flucht. Pauls Onkel und Großvater haben weniger Glück. Sie werden nach Mauthausen deportiert und umgebracht. Doch Paul und seine Eltern entkommen mit Glück und der Hilfe einiger hilfsbereiter Menschen den Nazischergen.
(…) Sicher sind die ersten hundert Seiten des Buches – die Kindheit in Preßburg, die Flucht und das Kriegsende – die packendere Lektüre als die folgenden. Was den Text aber wohltuend von vielen anderen dieses Genres abhebt, ist, dass Frommer weder ein übertrieben eitler noch ein sentimentaler Erzähler ist. Seine Erinnerungen sind – ohne die erfahrenen Schrecken zu leugnen – vielmehr in heiter anrührendem Ton gehalten und liebevoll ironisch kommentiert. Insgesamt: ein authentisches, einnehmendes, buntes Lebens-Geschichtsbuch. MIF/BÜCHERSCHAU 2/96

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